Art Laboratory Berlin

[macro]biologies I: the biosphere

Katya Gardea Browne The Center for PostNatural History Mathias Kessler Alexandra Regan Toland

Eröffnung
7.03.2014, ab 14 Uhr

Öffnungszeiten
Fr- So 14-18 Uhr
von 08.03.2014 - bis 04.05.2014

In 2 Orten - Prinzenallee 34 und Prinzenallee58 2. HH Theatersaal

Künstleringespräch mit Katya Gardea Browne: 30. März 2014, 15 Uhr

Anstatt eines einheitlichen Konzepts der Existenz von “Welt” oder “Natur” sehen wir uns heutzutage im postanthropozentrischen Zeitalter vielmehr von einer Vielzahl von Strukturen und einer Verwischung von Grenzen konfrontiert. Diese Ausstellung ist der Auftakt unserer diesjährigen Ausstellungsreihe [macro]biologies und [micro]biologies, die aktuelle internationale künstlerische Positionen in diesem Bereich vorstellt.

Die Ausstellung [macro]biologies I: the biosphere präsentiert vier wichtige internationale Positionen, die sich auf bemerkenswerte Weise mit den Strukturen und Systemen unserer Welt auseinander setzen. Dabei stehen Ökosysteme und die Biosphäre mit Milliarden von Wesen im Zentrum, die mit anderen Systemen ko-agieren (z.B. mit Geologie oder Klima).


Ausstellungsstandort (1): Ausstellungsräume ALB, Prinzenallee 34:

Die in Mexiko-Stadt arbeitende Künstlerin Katya Gardea Browne hat sich auf die Bereiche Fotografie, Film, Video und Objektkunst spezialisiert. Ihre Arbeiten beruhen meist auf langen, prozessartigen Beobachtungen von Natur und Zivilisation an soziopolitischen Grenzgebieten, zum Beispiel zur Megacity Mexiko D.F.
Für die Ausstellung hat die Künstlerin drei neue Videoarbeiten produziert und thematisiert verschiedene bedrohte Ökosysteme: Xochimilco (2014, 7:45 min., Großprojektion, hinterer Raum) zeigt eine meditative Fahrt über die Wasserstraßen im gleichnamigen Stadtteil der mexikanischen Hauptstadt. Die ruhige Fahrt ermöglicht eine Reflexion über die drastische Veränderung der MegaCity, die einstmals mithilfe dieses Bewässerungssystems florierte. Nur wenige, über den Sound transportierte Momente zeugen von menschlicher Präsenz. Die Biosphäre jedoch dominiert, besonders die sogenannten „Chinampas“ („flottierende Inseln“), was Gardea Browne mit Farbfiltern, schnellen Wechseln zwischen Farbe und Schwarz-Weiß spielerisch überhöht. Der stete Blick auf das Wasser und die Spiegelungen sowie das Ufer und die Grenze zwischen Wasser und Land verweisen auf das Periphere – ein Moment, der sich sowohl in ästhetischer als auch politischer Hinsicht immer wieder in den Arbeiten von Gardea Bwone finden lässt.

Das Video Panoramas (2014, 8:03 min., kleiner Monitor, hinterer Raum) kann als Hommage an die mexikanische Landschaft verstanden werden, sowohl an die rurale als auch die urbane. Die Fahrt raus aus Mexiko-Stadt durch Ebenen und über Berge hat Gardea Berowne verdichtet durch den Stopp-Motion Effekt, dessen Aneinanderreihung unzähliger Fotografien ein interessantes Staccato ergibt

Das Video Maís (2014, 16:14 min., vorderer Ausstellungsraum) thematisiert den Maisanbau und -verwendung in Mexiko. Gardea Browne war für die Videoaufnahmen an verschiedenen Orten Mexikos. Es sind Aufnahmen in Quetzalan (Puebla), Solotepec (Estado de Mexico) und Huamantla (Tlaxcala) entstanden. Die Videoarbeit vermittelt Einblicke in den indivdiuellen Maisanbau der sogenannten „milpas“ (Maisfelder mit gemischten Anbau, vgl. Source Book) und verweist auf die fundamentale Bedeutung des Mais für Mexiko.
In der Vitrine (im vorderen Raum) hat die Künstlerin verschiedene Objekte arrangiert, welche die Themen der Videoarbeiten aufgreifen, darunter Bücher und Postkarten von Xochimilco; auch Artefakte, die mit der Fruchtbarkeit des Bodens in Verbindung stehen.
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Das Center for PostNatural History (CPNH), mit Hauptsitz in Pittsburgh, USA, versteht sich als Kunst- und Wissenschaftsprojekt und bezieht sich auf Lebensformen, die durch den Menschen bewusst manipuliert worden sind, wie z.B. Zähmung, Züchtung oder Genmanipulation (Direktor: Richard Pell, Learning Science Advisor: Lauren Allen, Designer: Mason Juday). Der Begriff „postnatural“ bezieht sich auf Lebensformen, die durch den Menschen bewusst verändert wurden – sei es durch Domestizierung, selektives Züchten oder Genmanipulation.

Art Laboratory Berlin zeigt in dieser Ausstellung die Arbeit PostNatural Organisms of the European Union, die speziell Europa gewidmet ist: Bewusst im Modus des Zeigens und Vermittelns eines Museums gehalten, spielt die Installation mit den Ausstellungsfenstern auf das Phänomen des Repräsentierens ausgewählter Biofakte an. Zu sehen sind u.a. ein roter Kanarienvogel (als erstes genmanipuliertes Wesen), transgene Moskitofliegen zur Bekämpfung von Malaria oder auch Dokumente zur Svalbarder Pflanzensamenbank Nowergens. Nicht zuletzt zeigt die Arbeit, in welch rasanter Geschwindigkeit die Menschen heutzutage Organismen verändern.


Ausstellungsstandort (2): Theatersaal, Prinzenallee 58:

Der in New York arbeitende Künstler Mathias Kessler beschäftigt sich unter anderem mit dem Phänomen landschaftlicher Veränderungen durch den menschlichen Eingriff. Für die Berliner Ausstellung stellt er im Außen- und Innenraum gegensätzliche Phänomene und Bildprogramme vor: Im Außenraum (angefangen auf der Prinzenallee, über die Hofeinfahrt bis zum 2. Hinterhof der Prinzenallee 58) hat er Naturaufnahmen aus den Everglades (Florida) angebracht; die computer-bearbeiteten Aufnahmen zeigen romantisch verklärte Sonnenuntergänge und verweisen dabei auf das idealisierte Bild von Natur, das vom Menschen konstruiert wurde. Mathias Kessler spielt bei diesen Motiven – die gleichsam wie Plakate in den öffentlichen Raum geklebt wurden – bewusst mit dem Ephemeren und dem schnellen wortwörtlichen Verbleichen solch künstlicher Bildkonstruktionen.

Im Innenraum (Theatersaal, PA 58) geht es dagegen um radikale Formen der Natur, um die Landabtragung durch Energiegewinnung. Mithilfe von Luftaufnah-men hat Mathias Kessler ein Kohlebergwerks in den Appalachian Mountains (US) dokumentiert. Die Monumentalität der fotografischen Präsentation auf der langen Ausstellungswand ist intendiert, so auch der Kontrast zwischen dem inszenierten Raum einer Ausstellung und dem zerstörten Naturraum. Dabei lenkt er den Blick auf die menschliche Fähigkeit, die Erde nach Belieben zu formen, und damit auf die katastrophalen Auswirkungen der modernen Hybris.

Die in Berlin arbeitende Künstlerin und Ökologin Alexandra Regan Toland arbeitet auf vielfältige Weise für die Schaffung eines sozialen Bewusstseins über urbane ökologische Systeme. Als Wissenschaftlerin der Bodenkunde untersucht sie die Belastbarkeit der urbanen Flora; in ihren künstlerischen Arbeiten verbindet sie das soziale Bewusstsein urbaner Natur mit Aktionen in einzelnen Stadtteilbereichen. Für die Ausstellung wird sie kartographische Dokumente und den Staub der Stadt verwenden, sowie Schuhprofile auf die Abdrücke der Bodenversiegelung als auch die weiten Gehwege auf poröse Oberflächen untersuchen.

Neben einer Berliner Landkarte aus Erde und Staub wird Toland das Publikum mit ihrer Forschung vertraut machen. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, an Tolands Projekt teilzunehmen in Form von Interviews und Spenden von Schuhsolen alter Schuhe.